Klangliches Erleben beginnt nicht erst mit der Geburt, sondern lange davor. Bereits die antiken Griechen und Hebräer sprachen vor 2000 Jahren dem Ungeborenen ab einem bestimmten Zeitpunkt psychologische Fähigkeiten und Wahrnehmungen zu. Vor mehr als 1000 Jahren wurden in China eine Art Pränatal-Kliniken eingerichtet, in denen eine gute, beruhigende Atmosphäre für die Mutter und damit Optimalbedingungen für die kindliche Entwicklung hergestellt werden sollten.
Vom indischen Arzt und Gelehrten Susruta (6. Jh. v. Chr.) wird gesagt, er habe dem zwölf Wochen alten Fötus das Erwachen des Geites und dem sechs Monate alten Fötus bereits einen Intellekt zugesprochen. Empedokles (ca. 480 v. Chr.) hat die Abhängigkeit der kindlichen Entwicklung im Mutterleib von den Erlebnissen der Mutter ebenso beschrieben wie der indische Gelehrte Caraka bereits etwa 500 Jahre davor.
In den 1920er Jahren begannen die ersten wissenschaftlichen Experimente (mit Autohupen), die belegen, dass „starke Schallreize … beim Kinde schon vor der Geburt deutlich nachweisbare Bewegungen hervorrufen können“. 1927 wurden dieselben Ergebnisse im Theater beim Einsetzen des Applauses und 1935 beim Betätigen einer Türklingel nachgewiesen. Auf den Bewegungen des Kindes im Mutterleib beruhen auch die aktuellen Experimente, die bewiesen, dass spätestens ab dem 7. Monat alle Föten Reaktionen auf äußere Reize zeigen.
In der Gebärmutter ist es akustisch keineswegs langweilig, gibt es doch eine ganze Reihe schallerzeugender Ereignisse: neben dem Pulsieren des Blutstromes sowohl in der Plazenta als auch in den größeren Blutgefäßen über die Atem- und Darmgeräusche bis hin zu den Körperbewegungen der werdenden Mutter. Diese Geräuschkulisse sinkt nie unter 28 dB und kann bis auf 84 dB, etwa beim lauten Singen der Mutter, ansteigen.
Sehr laute Schallimpulse schädigen nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind. Dabei filtern Bauchdecke und Gebärmutter allerdings die höherfrequenten Anteile des Schalls (zwischen 125 und 2000 Hz) heraus, dass sich beispielsweise Sprechen im Uterus eher so anhört, als würde jemand hinter einer dicken Wand zuhören: man nimmt die Sprachmelodie aber nicht die einzelnen Wörter wahr.
Die Stimme der Mutter ist für das werdende Kind eine wichtige intrauterine Schallquelle, die sowohl von außen über die Luft und die Bauchdecke als auch intern vor allem über die Knochen der Wirbelsäule zur Gebärmutter weitergeleitet wird. Diese Knochenleitung ist sehr effektiv, weil das Becken der Mutter wie ein großer Lautsprecher wirkt, der vor allem tiefe Töne durchlässt. Und da Männer eine Oktave tiefer sprechen und singen als Frauen, dringt Papas Stimme somit besser in die Gebärmutter vor als die von Mama.
Aufgrund der unterstützenden Knochenleitung sei aber vor allem die Mutter zum vorgeburtlichen Singen ermutigt, denn ihr Schall kommt natürlich am besten beim werdenden Kind an. Die Frage, ob bei gelegentlicher Heiserkeit der Eltern entweder Oma oder Opa gesanglich einspringen sollen, ist aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht völlig geklärt!
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