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Zu viel Musik: Ohrwürmer, Halluzinationen und Anfälle



Ohrwurm heißt im Englischen „sticky song“, was so viel wie „klebriges Lied“ heißt, das sich in unserem Gehirn als nervtötender Dauerbrenner festgeklebt hat. Er ist wie ein Zwangsgedanke, um dessen Unsinnigkeit man weiß, ihn aber dennoch nicht unterdrücken kann.


Was bei einem Ohrwurm im Gehirn genau passiert, ist noch nicht völlig erforscht. Nachgewiesen ist jedenfalls, dass ein Ohrwurm immer dann entstehen kann, wenn das Gehirn nicht viel zu tun hat und wir müde oder sehr entspannt sind. Der Psychiater und Professor an der Universität von Kapstadt Dan Stein, der sich selbst als jemanden beschreibt, der sich schlecht auf nur eine Sache konzentrieren kann, hat es so formuliert: Eine Minderdurchblutung des Gehirns „könnte eine Fehlfunktion anzeigen, die über mehrere Zwischenschritte die Fähigkeit zur Kontrolle über spontane Aktivierungen im Temporalhirn reduziert und auf diese Weise die Ohrwürmer verursacht.“


Welches Lied bzw. welcher kurze Lied-Teil zu einem Ohrwurm wird, können wir uns leider nicht aussuchen. Oft sind es Melodien mit einfachem Text und einfachem Rhythmus. Außerdem muss sie ein besonderes Gefühl in uns auslösen. Das kann eine schöne Erinnerung an ein besonderes Erlebnis genauso sein, wie ein Lied, dass wir gar nicht mögen, das uns sogar nervt.


Abhilfe verschaffen kann man sich, indem man sich ablenkt und zum Beispiel ein Rätsel löst oder ein Buch liest. Auch Kaugummi kauen soll helfen, denn beim Kauen werden jene Teile im Gehirn beschäftigt, in denen auch der Ohrwurm abgespeichert ist. Und je länger man kaut, desto weniger schafft es das Gehirn, an dem Lied festzuhalten. Siehe Blog: Eigenschwingung und Gesundheit


Musikalische Halluzinationen treten zwar nur selten als Folge einer Hirnschädigung auf, sind aber trotzdem wissenschaftlich erforscht. Diese haben in der Regel einen bestimmten Verlauf, beginnen als Ohrgeräusch (Tinnitus), das dann rhythmisch und schließlich zur Musik wird. Frauen – vor allem im höheren Alter – sind häufiger betroffen als Männer.


Beim Phänomen der sogenannten musikogenen Epilepsie kommt es – ausgelöst durch bestimmte Musikstücke – zum Auftreten eines Krampfanfalles. Die geschätzte Häufigkeit besteht von einem Fall auf zehn Millionen Menschen. Dieser Zustand findet sich schon in über 400 Jahre alten Schriften, in den Werken Shakespeares und wurde 1884 auf einem Treffen von Psychiatern in St. Petersburg diskutiert sowie 1913 demonstriert.


Der englische Neurologe MacDonald Critchley (1900 – 1997) beschreibt ein diesbezügliches Experiment, das er 1931 mit einer Betroffenen durchgeführt hat, die selbst wusste, dass bei ihr nur klassische Musik Anfälle auslösten:


„Die Patientin wurde stationär aufgenommen und mit ihrer ausdrücklichen Erlaubnis dem Unbill musikalischen Einflusses ausgesetzt. Mein damaliger Assistent (nun Professor Denny-Brown) brachte seinen Plattenspieler und einige Schallplatten mit Tanzmusik wurden ausprobiert. Die Patientin versicherte uns, dass keine von diesen geeignet sei, mit Wahrscheinlichkeit einen Anfall zu provozieren. Zuletzt holte Denny-Brown seine ernsthafteste Platte hervor, Tschaikowskys Valse des Fleurs, gespielt vom Orchester der Berliner Staatsoper. Nach bereits nur wenigen Takten wurde die Patientin unruhig und langsam entwickelte sie einen Anfall mit generalisierten konvulsiven Bewegungen, Schaum an den Lippen und Zyanose […]. Die Patientin berichtete mir später, dies sei die Sorte Musik, die bei ihr immer einen Anfall auslöse.“



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