Der Forschungsschwerpunkt des amerikanischen Hirnforschers und Religionswissenschaftlers Andrew Newberg (geb. 1966) ist die Gehirnphysiologie der Spiritualität, die wissenschaftliche Untersuchung der Meditation und die neurologische Aktivität während religiöser oder mystischer Erfahrungen. Bei seinen Studien an Menschen verschiedener Glaubensrichtungen, die eine Erleuchtungserfahrung gemacht hatten, entdeckte er fünf gleiche Merkmale:
1. Gefühl des Einssein
2. Außergewöhnliche Tiefe der Erfahrung
3. Gefühl der Klarheit und Einsicht
4. Hingabe bzw. Loslassen der Kontrolle
5. Dauerhafte Veränderung danach
Es gibt klare wissenschaftliche Belege dafür, dass Menschen, die mystische Erfahrungen gemacht hatten, in ihrem Leben einen neuen Sinn entdeckten, seelisch gesünder waren und ein weitaus höheres Niveau psychischen Wohlbefindens aufwiesen als Menschen, die solche Erfahrungen nicht gemacht hatten.
Der Vater der Humanistischen Psychologie und Begründer der Transpersonalen Psychologie, dessen Pyramide der menschlichen Bedürfnisse bekannt wurde, Abraham Maslow (1908 – 1970), drückt es so aus: „So sieht die Welt aus, wenn die mystische Erfahrung wirklich greift… Wenn Sie diese Erfahrung durchlebt haben, sind Sie danach mehr im Hier und Jetzt, als Sie es je bei all den spirituellen Übungen, die es so gibt, erleben werden.“
In vielen spirituellen Traditionen wird eine mystische Erfahrung fast immer durch extreme Praktiken herbeigeführt, welche die geistigen Hindernisse beseitigen sollen, die dieser Erfahrung im Wege steht. In fast allen Kulturen seit der Ur- und Frühzeit der Menschheit spielen solche Ekstasetechniken eine gewichtige Rolle, doch handelt es sich dabei fast immer um sehr komplizierte Rituale.
Moderne Gruppierungen arbeiten mit einfacheren Ritualen wie Heilzauber, Chanten, Eintauchen ins Wasser und Ähnliches. Auch diese lösen häufig höhere Bewusstseinszustände aus, die ihrerseits heilsam wirken. Auch der professionelle Gestus westlicher Mediziner kann heilende Impulse auslösen wie eine archaische Navajo-Zeremonie, vor allem, wenn sie bestimmte Abläufe, eine bestimmte Kleidung, Klänge, Bewegungen, Berührungen und Symbole beinhalten.
Menschen aus ihren Alltagszusammenhängen zu holen, sie mit ungewohnten Klängen, Rhythmen und Zeremonien zu erfüllen, sie durch eine machtvolle, allumfassende sinnliche Erfahrung zu geleiten, ihnen einen Beweis dafür anzubieten, dass übernatürliche Kräfte am Werk sind, und ihnen so das Gefühl zu vermitteln, alles habe sich geändert, kann zur prompten emotionalen Heilung führen.
Die Forscher gehen davon aus, dass diese überwältigende sinnliche Erfahrung durch die Kraft der Suggestion wirkt. Die Transformationserfahrung wird ausgelöst, wenn der Teilnehmer den Wandel auch erwartet, was wissenschaftlich trocken auf den Placebo-Effekt zurückgeführt wird.
Schamanische Rituale indigener Völker verursachen massive Veränderungen im Gehirn. Aber auch die vermeintlich "einfache" Meditation hat ganz klare Auswirkungen auf das Gehirn. Sie bewirkt, dass beide Gehirnhälften synchron arbeiten und mit dem Fühlen (limbisches System) und dem Verhalten (Cortex) abgestimmt werden. Letztlich tragen kollektive Rituale und Meditation in der Gruppe dazu bei, dass das Gehirn emotional reifer und fairer gegenüber anderen wird.
Auch im EEG (Elektroenzephalogram) von Meditierenden zeigt sich, dass verschiedene Teile des Gehirns intensiver miteinander kommunizieren, vor allem das kognitive Vorderhirn und das Intuitionszentrum. Das daraus resultierende kosmische Bewusstsein reicht bis in den Alltag hinein und versetzt das Gehirn in die Lage, besser mit den Anforderungen des Alltags zurechtzukommen, mit Stress leichter umgehen zu können und uns unseren Platz in der Welt und in unserem unmittelbaren Umfeld klarer erkennen zu lassen. Dies kann eine tiefgehende Heilwirkung entfalten, weil wir uns daran erinnern, dass es etwas Größeres gibt als uns selbst und wir alle Teil dieses großen Ganzen sind.