Bereits im römischen Reich wurden seit Vitruv, der im 1. Jahrhundert vor Christi Geburt unter Kaiser Augustus ein neues Wasserleitungssystem für Rom entworfen und gebaut hatte, die einzelnen Stunden sorgfältig mit Sonnen- und Wasseruhren gemessen.
Von Seiten der Kirche gab es kaum Einwände gegen die Astrologie, heißt es doch in Genesis 1.4: „Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen.“
Die christliche Zeitrechnung begann damit, dass im gläubigen Lebenslauf nun auch die genaue Stunde an Bedeutung gewann. Dies ist Benedikt von Nursia (um 480 – 547) und seiner Ordensregel mit ihrem Stundenplan, um 540 n. Chr. verfasst, zu verdanken. Ab nun sollten neben den Hauptfesten des Kirchenjahres die Gebets- und Arbeitszeiten nicht der Willkür eines Abtes ausgeliefert sein, sondern diszipliniert und regelmäßig ablaufen. So bestimmte Benedikt unter Zuhilfenahme von Sonnen- und Wasseruhren exakt die Stunden des Weckens, der Mahlzeiten, der Handarbeit und der Ruhe, nach Jahreszeiten des Sonnenjahres gestaffelt. Die gemeinsame Unterwerfung unter die „Regelzucht“ erhob die Mönche über ihre allzu menschlichen Schwächen.
Dabei wurden Uhren nicht als Errungenschaften forschender Griechen gesehen, sondern als Beweismittel für Gottes Zahlenwunder. Fast entschuldigend schrieb der romanische Bischof, Geschichtsschreiber und Hagiograph Gregor von Tours (538 – 594) in sein Büchlein: „Ich lehre hier keine Astrologie und Zukunftsforschung, sondern halte bloß dazu an, den Sternenlauf vernünftig mit Gotteslob auszufüllen. Wer diesen Dienst aufmerksam versehen will, muss wissen, zu welchen Stunden er nachts aufstehen und Gott anrufen soll.“
Isidor von Sevilla (um 560 – 636), einer der meistgelesenen Autoren des Mittelalters, lehrte tiefe Ehrfurcht vor den kalendarischen Ziffern und Zahlen zum Weltenlauf und Menschenleben: „Nimm die Zahl aus den Dingen, und alles stürzt zusammen.“ Er schärfte seinen Zeitgenossen aber auch ein gewisses Maß an Geringschätzung für horologia ein, und stellte die Stundenweiser zur Zeitmessung neben banale Gerätschaften wie Ketten und Schlüsseln.
Für den Reformer Abbo von Fleury (940 oder 945 – 1004) spiegelte sich nicht nur die Autorität Gottes in Zeiten und Zahlen, sondern auch historische Begebenheiten. Er war Gelehrter, Geistlicher und auch eine bedeutende Persönlichkeit des politischen Lebens und wollte mit rechnender Vernunft den Abstand zwischen den kontemplativen Mönchen und den geschäftigen Laien verringern. Er verfasste kirchenpolitische Schriften, aber auch Traktate über Grammatik und Astronomie sowie ein Lehrbuch zur kirchlichen Zeitrechnung, der Computatio (von dem sich der Begriff des Computers ableitet). In diesem Werk stellte Abbo erstmals einen immerwährenden Julianischen Kalender auf und korrigierte die damals übliche Zeitrechnung nach Dionysius Exiguus.
Zu Abbos Lebzeiten wurden im christlichen Nordspanien arabische Traktate ins Lateinische übersetzt, die das Astrolab besprachen. Das kleine astronomische Gerät maß nicht nur die sichtbare Bewegung der Sonne und der Fixsterne mit einer Visiereinrichtung und Gradeinteilung nach; es rechnete auch beide Zeitmaße für jeden Standort aus, die Temporalstunden anhand von Kurven in der Einlegescheibe, die Äqinoktialstunden mit geraden Zeigern zur Gradeinteilung am Außenrand. Es wurde – neben dem Abacus und dem Monochord – zum frühesten „analogen“ Rechengerät der europäischen Wissenschaftsgeschichte.
Nach vielen Klosterreformen, Streitschriften und Diskursen im Laufe der nächsten Jahrhunderte mit dem ständigen Hin und Her zwischen Kirche und Philosophie kamen im 14. Jahrhundert die Sanduhr als personalisierte Zeitrechnung aber auch Räderwerk und Ziffernblatt, die Turmuhr und ihre Stundenglocke, die der Türmer noch von Hand bedienen musste, auf.
Auch der preußische Domherr, Astronom und Arzt Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543), der sich auch der Mathematik und der Kartographie widmete, verwendete modernere Werkzeuge und zog auch das Astrolab zu Rate. Mit ihnen verglich er historische Jahreszahlen antiker Ägypter und Griechen, nicht die manchmal sehr wunderlichen Zyklen christlicher Geschichtsschreiber. In seinem Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium beschreibt er ein heliozentrisches Weltbild, nach dem die Erde ein Planet sei, sich um ihre eigene Achse drehe und sich zudem wie die anderen Planeten um die Sonne bewege. Seine Erkenntnisse führten zu einem Umbruch, der als „Kopernikanische Wende“ bezeichnet wird.
EXKURS: Ohne Zustimmung von Kopernikus nahm der Herausgeber gravierende Änderungen am Werk vor: Er erweiterte den Titel von De revolutionibus zu De revolutionibus orbium coelestium – Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären – Kopernikus hatte bewusst den Hinweis auf Sphären weggelassen. Viele Jahre lang wurde der Vortext Kopernikus selbst zugeordnet – so, als wäre dieser von seinem eigenen Modell nicht überzeugt gewesen. Erst Johannes Kepler machte 1609 in seiner Astronomia Nova auf die Veränderungen durch Osiander aufmerksam. Kopernikus verfasste auch eine Präambel, in der er sein Werk dem Papst widmete. Das geschah auch in der Hoffnung, dass dieser das Werk davor bewahrte, Opfer von »Dummschwätzern« zu werden, die sich »ohne mathematische Kenntnisse (…) ein Urteil anmaßen (…) und auf Grund irgendeiner Stelle in der SCHRIFT, die sie zu ihrem Zweck bösartig verdreht haben, (…) mein Vorhaben tadeln und verunglimpfen.« Kopernikus ahnte, dass insbesondere Josuas Befehl „Sonne, steh still über Gibeon“ aus dem Zweiten Buch Moses Anlass für die Ablehnung seiner Theorie bieten könnte – was später dann auch der Fall war: 1559 wurde sein Werk auf den Index librorum prohibitorum (Index der verbotenen Bücher) der katholischen Kirche gesetzt; Kopernikus, der im Dezember 1542 einen Schlaganfall erlitten hatte, hat von all dem nichts mehr mitbekommen – ohne Gedächtnis, rechtsseitig gelähmt und der Sprache beraubt.
Im 17. Jahrhundert befassten sich mit herkömmlicher Zeitrechnung nur noch (anrüchige) „Kalendermacher“. Der berühmteste und sein „Ewigwährender Calender“ ist wohl Jakob Christoffel von Grimmelshausen (um 1622 – 1676). Neben dem ersten deutschen Prosaroman, seinem bekannten Schelmenroman Simplicissimus, bot er sogar eine kurze Weltgeschichte an, indem er die Ansichten der Juden und Christen zusammentrug, nach denen Gott die Welt irgendwann zwischen 3707 und 6984 vor Christus erschuf.
Im 18. Jahrhundert gelang englischen und französischen Uhrmachern der Bau von Präzisionsuhren, die nun auch präzise die Sekunden auf dem Ziffernblatt anzeigten. Seit 1686 gibt es Time-Keeper, seit 1701 chronométre und seit 1735 Chronometer. So wurden ab 1825 auch die jeweiligen Stoppuhren genannt, die notwendig wurden, als man punktuelle sportliche Leistungen in Leibesübungen und Pferderennen messen wollte. Auch Tageszeitungen, Eisenbahn, Telegraph, Dampfmaschine, Webstuhl und Hochofen trugen ihren Teil zur Berechnung der Beschleunigung bei.
Über die antiken Sonnen- und Wasseruhren, das klösterlichen Errechnen von Festtagen und Gebetszeiten nach dem Stand der Sonne im 6., den Kalender des 8., das Astrolab des 10., die Räderuhr des 14. und die Rechenmaschine des 17. Jahrhunderts sind wir bei der Datenverarbeitung des Computers im 20. Jahrhunderts angekommen. Für Mechanisierung, Industrialisierung, für deren Ökonomie, Demographie und Sozialmathematik, in Kurven für Preise, Gehälter, Geburten, Impfstatistiken und Übersterblichkeitsraten u.ä. werden Zahlen und Zeiten unendlich zerkleinert oder vergrößert – je nach Bedarf.
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