Was ist Musik? Wer waren die ersten Musiker und wer die ersten Zuhörer? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Forschung schon seit langem. Manche Wissenschaftler halten die Musik für eine biologisch bedingte Äußerung eines Lebensgefühls, andere für die Nachahmung von Tierlauten, für wieder andere ist sie ein Produkt aus dem Arbeits- und Tanzrhythmus heraus und einige Forscher vermuten den Ursprung der Musik als Ergebnis einer überhöhten Sprachmelodie.
Der Begriff Musik kommt vom altgriechischen mousikē téchnē bedeutet „Tonkunst“ und wird bereits in der Antike zu mousikē verkürzt. Vor allem hat sie mit den mythologischen Musen, den Schutzgöttinnen für die Künste, zu tun. Ihre Heiligtümer wurden Museion genannt, woraus das heutige Wort für Museum entstand.
Bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. hat sich der griechische Dichter Hesoid, der als einfacher Ackerbauer und Viehalter lebte, auf neun Musen festgelegt. Vier davon (!) haben mit der Musik zu tun: Euterpe mit Doppelflöte – die Erfreuende, für Lyrik und Flötenspiel; Melpomene mit Theatermaske – die Singende, für die Tragödie (😉); Erato mit Saiteninstrument – die Liebevolle, für die Liebesdichtung; Terpsichore ebenfalls mit einem Saiteninstrument – die fröhlich Tanzende, für Chorsingen und Tanz; Polyhymnia mit einem weiteren Saiteninstrument – die Liederreiche, für den Gesang; und Kalliope – die mit der schönen Stimme – mit einer Schreibtafel, für Dichtung, Philosophie und Wissenschaft.
Von der göttlichen Herkunft der Musik einmal abgesehen, berichten auch die Mythen aller Völker über magisch-kultische Anfänge. Bereits in den eiszeitlichen Höhlenmalereien von Frankreich tritt uns ein „Musikzauberer“ mit Flöte und Tiermaske entgegen.
Die ältesten Bilder organisierter Musik stammen aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Sie zeugen davon, dass schon die Babylonier richtige Hoforchester besaßen, mit Flöten, Harfen und Lauten besetzt. Diese Funde sind auf Vasen und vor allem durch Informationen auf Tontafeln überliefert, die sich auf den kultischen Bereich beziehen, bei denen Priestermusiker dominieren.
Aus der Zeit des ägyptischen Pharao Cheops um 2500 v. Chr. sind uns sogar die Namen von zwei musikalischen Persönlichkeiten überliefert: Snefrunofer, der täglich vor dem Pharao zu musizieren hatte, und Mery, der zur eigenen Trommelbegleitung sang. Aus dieser V. Dynastie ist auch die ägyptische Star-Sängerin Iti bekannt, die von der Harfenistin Hekenu begleitet wurde. Sie waren so berühmt, dass sie in der Nekropole von Saqqarah abgebildet sind.
Nicht nur Herrscher und wohlhabende Leute ließen sich von „Privatkapellen“ aus Flöten, Harfen, Lauten, Zithern, Trompeten, Pfeifen, Trommeln und anderem Schlagwerk beim Ankleiden oder Essen unterhalten. Im alten Ägypten wurde auch das arbeitende Volk, die Rudersklaven am Nil und die Bauern auf den Feldern und in den Weingärten mit Flötenspiel bei Laune gehalten. Und Trompeten- und Trommelklang führten die Soldaten in die Schlacht.
Auch das Volk Israel legte großen Wert auf Musik. Nach dem biblischen Durchwandern des Roten Meeres führten die Männer den Siegesgesang der Mirjam, Schwester des Moses, fort und die Frauen antworteten ihnen im Wechselgesang. Den Sieg über die Philister wurde von singenden und tanzenden Mädchen mit Leier und Schellentrommel gefeiert. König Saul ließ den Hirtenknaben David rufen, damit er mit seinem Gesang und sanftem Spiel die Dämonen aus seiner Seele vertreibe. David, um 1000 v. Chr. selbst König, stellte offiziell 4000 Leviten zum musikalischen Dienst in Juda ein.
Als sich sein Sohn und Nachfolger König Salomo, selbst gepriesen als großer Hohelied-Sänger, im 10. Jahrhundert v. Chr. mit der ägyptischen Pharaonentochter vermählte, soll er „tausend Arten Musikinstrumenten“ in die Mitgift eingebracht haben. Und die Einweihungsfeier des großen Tempels in Jerusalem, auf dem Berg Moria, soll in höchstem musikalischem Glanz stattgefunden haben – mit 12 Kapellmeistern, 24 Chor-Orchester-Gruppen und 120 Priestern, die Trompeten bliesen.
Spätestens bei den Griechen entwickelte sich die Musik vom kultischen Zaubermittel zu einer ethischen Macht. Homer (um 850 v. Chr.) berichtet, dass Klytämnestra, Mutter der beiden tragischen Töchter Iphigenie und Elektra, von bösen Lüsten unangefochten blieb, solange ihr ein Musiker aus dem Stamm der Dorer zu Seite stand. (In den späteren mittelalterlichen Kirchentonarten steht das Dorische für eine würdevolle, ernste Stimmung. – Diesem Thema möchte ich einen eigenen Blog-Artikel widmen.)
Die Griechen erkannten früher als andere Kulturen die Wechselwirkung zwischen Musik und Stimmung des Menschen und dass Musik auf Affekte wie Trauer, Freude, Wut und Zorn Einfluss habe. Lykurg, der mythische Gesetzgeber Spartas, verpflichtete – auf Anraten des Orakels von Delphi – den Musiker Thales von Milet (624/23 – zwischen 548 und 544), der durch sein Lyra-Spiel den Frieden in der Stadt wieder herstellte.
Für den griechischen Philosophen Platon war die Musik ein wesentliches Element in der ethischen Erziehung und Fundament eines geordneten Lebens in seinem Idealstaat: - "Darum ist die Musik der wichtigste Teil der Erziehung. Rhythmen und Töne dringen am tiefsten in die Seele und erschüttern sie am gewaltigsten. Sie machen bei richtiger Erziehung den Menschen gut, andernfalls schlecht."
Platon befürwortet, dass Kinder schon in jungen Jahren eine Ausbildung in Musik und Dichtkunst erhalten, da diese Eckpfeiler einer ausgewogenen und harmonischen Erziehung seien. Gesang und Musikunterricht soll bei der Knabenerziehung homophon erklingen, als „Gleichklang“ von Stimme und Begleitung. Verzierungen und Umspielen der Gesangsmelodie sind zu vermeiden, um den Schüler nicht zu verwirren.
Bei den Erwachsenen erlaubt Platon Musikausübung nur, wenn damit Götter oder herausragende Persönlichkeiten gerühmt werden, dabei ist reine Instrumentalmusik genauso verpönt, wie alle vieltönigen Instrumente. Die richtige Kenntnis der Rhythmen und Melodien ist ihm deshalb so wichtig, damit die Lieder der freien Bürger nicht den Rhythmus von Sklavenmusik haben.
Der Begriff Musik erlebte im Laufe der vergangenen Jahrtausende mehrere Bedeutungswandlungen. Die Hieroglyphen für Musik sind gleichbedeutend mit Freude und Wohlbefinden. Und in China bedeuten die beiden Zeichen soviel wie „genieße das Geräusch“. Der Schall als zauberisches Mittel geht über in die altgriechische Kunst der Musen und ab dem 4. Jahrhundert löst sich der lateinische Begriff musica heraus, der sich nun in Richtung Mathematik und Theorie entwickelt. Musik ist und bleibt jedenfalls eine universelle Sprache, die man in allen Kulturen und Zeitepochen gesprochen und auch verstanden hat.
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